Seit Jahrzehnten behaupten sich handgefertigte Produkte gegen billige Massenware. Sei es handwerklich gebackenes Brot oder hochwertige Slow-Fashion-Mode. Doch was sind eigentlich die Vorteile? Und warum gehen Handwerk und alternative Handelsformen so oft Hand in Hand?
DIY wohin das Auge reicht
In zahlreichen Haushalten wird gestrickt, gehämmert, genäht, gemalt und geflochten. Ob man ein beliebiges Magazin aufschlägt oder sich in den Sozialen Netzwerken bewegt. Am DIY-Trend kommen wir schon lange nicht mehr vorbei. DIY bedeutet nichts anderes als selbstgemacht (Englisch: Do It Yourself). Eine deutsche Baumarktkette wirbt mit dem Slogan „Respekt, wer‘s selber macht.“, der SWR hat eine eigene Fernsehreihe, die sich nur der Handwerkskunst widmet und zahlreiche DIY-Influencer*innen teilen nahezu täglich ihre selbst erschaffenen Werke. Wie zum Beispiel Laura Kampf, die nicht nur auf ihrem Youtube-Kanal regelmäßig ihre DIY Projekte teilt, sondern damit auch immer wieder Auftritte in der beliebtesten deutschen Kinderserie, der Sendung mit der Maus, hat. Warum ist DIY in den letzten Jahren so ein Trend geworden? Untersuchungen zum Thema gibt es keine, darum lässt es sich nur mutmaßen. Sicherlich hat die Pandemie-Zeit einen wichtigen Beitrag dazu geleistet. Hier waren die Menschen vermehrt Zuhause und suchten neben dem ständigen Serienschauen nach sinnvollen Beschäftigungen. Viele entdeckten neue Hobbies. Es geht darum, etwas mit der Hand zu machen. Etwas zu erschaffen, eine sinnliche Erfahrung, an dessen Ergebnis man sich mit stolzgeschwellter Brust erfreuen kann. Doch der DIY-Trend hat auch eine politische Dimension. Es hat etwas punkiges: Gegen Massenkonsum und Anti-Establishment. Es geht um mehr Individualität, mehr Nachhaltigkeit, mehr Unabhängigkeit.
Was hier oftmals Trend und Hobby ist, bedeutet für viele Menschen weltweit auch Broterwerb. Das heißt jedoch nicht, dass die Handwerkskunst hier – nur weil sie dem Zweck des Geldverdienens folgt – nicht weniger auch eine befriedigende Tätigkeit sein kann. Der Faire Handel fördert den Erhalt verschiedener, traditioneller Handwerkstechniken. Oftmals werden die Kenntnisse darüber von Generation zu Generation weitergegeben. Dabei ist die traditionelle Herstellung von Produkten oft auch ein Stück kultureller Identität. So zum Beispiel bei den Kunsthandwerkerinnen unseres Handelspartners WEAVE aus Thailand. Die Weberinnen sind aus ihrer Heimat Myanmar geflüchtet. In einem Camp nahe der Grenze, können sie durch ihre Arbeit nicht nur Geld verdienen und einem geregeltem Alltag nachgehen, sie leben auch weiterhin das Zugehörigkeitsgefühl zu der in Myanmar diskriminierten Minderheit der Karen. Der Faire Handel hat seit jeher die Handwerksproduzent*innen in ihrer Tätigkeit unterstützt, indem die Organisationen weltweit neue Absatzmärkte erschlossen haben. Auf diese Weise sind die Produzent*innen nicht mehr nur vom lokalen Markt abhängig, der oft touristisch geprägt ist. Gerade in Zeiten wie der Corona-Pandemie hat sich dieser Ansatz als sehr förderlich erwiesen. Vielen Kunsthandwerker*innen brachen Absatzmärkte von einem Tag auf den anderen weg, weil keine Tourist*innen mehr ins Land kamen. Die meisten jedoch, konnten ihre Tätigkeit aufrechterhalten, da es nach wie vor die anderen Absatzmärkte gab und diese zudem fair bezahlt und nicht von kurzfristigen Stornierungen geprägt waren.
Tradition meets Moderne
Dass Handwerk gleich altbacken daherkommt ist längst überholt. Die Fair-Trade-Handelspartner arbeiten oftmals mit Designer*innen zusammen, viele haben eigens Angestellte, die sich mit der Frage beschäftigen, wie traditionelles Handwerk mit modernen Designs verbunden werden kann. Denn klar ist: verkaufen lässt sich nur, was auch den aktuellen Geschmack der Kund*innen trifft. Das sind nicht immer zwangsläufig traditionelle, ethnische Muster. Sie können es aber sein. Je nach Handwerkskunst spielen verschiedene Einflüsse eine Rolle. Modische Accessoires wie Schals oder Taschen sind oftmals schnelllebiger. Hier sind sowohl die Muster, vor allem aber Farben entscheidende Verkaufskriterien. Bei Interior-Produkten, also Wohnaccessoires, geht es oftmals ums Design, natürlich aber auch um Funktionalität. Vor einigen Jahren waren zum Beispiel Waldtiermotive besonders beliebt. Eulen und Füchse zierten viele verschiedene Produkte. Die Designer*innen schauen dann, wie diese Trends auf ihre traditionelle Handwerkskunst übertragbar sind. Wir als Fairhändler unterstützen die Handelspartner dabei, auch eigene Designs zu entwickeln.
Wie nachhaltig ist die Handwerkskunst?
Sieht man sich den ökologischen Fußabdruck verschiedener Produkte genauer an, überrascht oftmals eine Erkenntnis: Entlang der gesamten Lieferkette eines Produktes, ist es oft nicht der Transport, sondern die Produktionsart, die den Fußabdruck von Waren entscheidend beeinflusst. Nachhaltige, lokale, im besten Fall nachwachsende Rohstoffe und die Produktion größtenteils von Hand weisen einen enormen Vorteil gegenüber maschinenproduzierten Massenwaren aus Plastik auf, die oftmals auch für jeden Verarbeitungsschritt in ein anderes Land gebracht werden. Auch hinsichtlich der Langlebigkeit oder Reparaturfähigkeit können handgemachte Produkte punkten.
Liebe geht durch den Magen
Auch bei der Herstellung von Lebensmitteln spielt die Handarbeit im Fairen Handel eine besondere Rolle. Im Kaffeebereich bewirtschaften Kleinbäuer*innen zum Beispiel kleine Felder in Mischkulturen. Hier wäre es gar nicht möglich mit großen Maschinen zu fahren und die Kaffeekirschen zu ernten. Dies geschieht allein in Handarbeit. Und das hat einen entscheidenden Einfluss auf die Qualität. Auf diese Weise wer en nur die wirklich reifen Kaffeekirschen gepflückt und weiterverarbeitet. Und so prägt auch die Handarbeit den weiteren Prozess der Verarbeitung. Mit dieser hochwertigen Rohware, können qualifizierte Röstmeister*innen das Beste aus den Bohnen herauskitzeln. Aber nicht nur im Kaffee steckt viel Handarbeit, auch in vielen anderen Lebensmitteln des Fairen Handels. Auch den Nektar für unseren Kokosblütenzucker gewinnen die Kokosbäuer*innen ohne den Einsatz von Maschinen. Die Palmen erklettern die geübten Produzent*innen, um die Blüte vorsichtig anzuritzen. Der abtropfende Nektar fließt in einen kleinen Behälter. Traditionell wird dieser dann über einem offenen Feuer und unter ständigem Rühren eingekocht, bis am Ende ein Sirup und dann die Kokosblütenzuckerkristalle entstehen. Die Beispiele könnten wir ins schier Endlose fortführen.
Geliebt und geschätzt
Auch die Kund*innen schätzen handgearbeitete Waren.
Dabei ist es wichtig, dass sie nicht von den Prozessen abgeschnitten sind. Wenn die Konsument*innen genau über die
Arbeitsschritte und die Menschen, die diese in aufwändiger
Handarbeit ausführen, informiert sind, stufen sie den Wert
eines Produktes höher ein und bringen ihnen viel mehr Wertschätzung entgegen. Die Kund*innen sehen die Produkte als
das an, was sie sind: Handgemachte Unikate von besonderer
Schönheit und Qualität.