In Corona-Zeiten sind die persönlichen Treffen rar gesät. So haben wir auch mit Mimi Sewalski, Geschäftsführerin des Avocadostore und Buchautorin, nicht direkt sprechen können. Wohl aber am klassischen Telefon. Und Mimis Telefon ist wirklich ein Klassiker. Denn es ist noch ein antikes Modell mit Drehscheibe. Eher ein Deko-Objekt. Wenn auch noch voll funktionsfähig. Anrufen tut dort aber eigentlich nur noch die Oma. Und eben wir. Aber nachhaltiger ist dieses Telefon in jedem Fall, erklärt uns Mimi. Denn Funktelefone mit ihrem Akku verbrauchen enorm viel Energie. Und damit sind wir schon mitten im Thema: Nachhaltig leben und zwar jetzt

Mimi, jetzt ist es 10.00 Uhr am Freitag, wie hast Du heute Deinen Tag gestartet?
Als erstes habe ich online Nachrichten gelesen. Ich muss immer zuerst wissen, ob die Welt untergegangen ist. Anschließend habe ich mir einen fairen Kaffee gemacht. Einen Kaffee, der mit der Avontuur hergesegelt ist. Da ich nicht frühstücke, habe ich mich direkt an den Rechner gesetzt. Wobei Zähne putzen auch noch drin war (lacht).

Du bist die Geschäftsführerin von Deutschlands größtem, grünen Marktplatz. Wahrscheinlich kannst Du Dich nicht gerade über Langeweile beklagen. Warum hast Du aber den Wunsch gehabt, ein Buch über Nachhaltigkeit zu schreiben?
Ich hatte immer schon den Wunsch, ein Buch zu schreiben. Die ursprüngliche Idee war, das Thema grüne Start-Ups und Gründer*innen aufzugreifen. Mich haben öfter Verlage angesprochen. Allerdings hatte ich keine Zeit, weil der Avocadostore mich so in Anspruch genommen hat. Als der Knesebeck-Verlag auf mich zukam und eine Idee für ein Buch hatte, die auch bereits in meiner Schublade schlummerte, dachte ich: Wenn nicht jetzt, wann dann? Das Buch greift viele alltägliche Fragen rund um Nachhaltigkeit auf. Mit diesen Verwirrungen bin ich schon immer in Kontakt gekommen: bei Vorträgen, in der Familie oder mit Freunden. Fragen wie: Nehme ich lieber die Bio-Tomate aus Spanien oder die konventionelle Tomate aus der Region? Was ist eigentlich besser? In den verschiedenen Kategorien beschäftige ich mich mit den Themen Mode, Kosmetik, Ernährung, Wohnen, Internet & Geld sowie Mobilität & Reisen.

Im Vorwort Deines Buches erwähnst Du, dass es die Möglichkeit gibt, seinen eigenen CO2-Fußabdruck zu berechnen: Dabei liegt Dein Wert deutlich unter dem Durchschnitt, trotzdem versuchst Du ihn weiter zu minimieren. Was ist der größte Klimakiller, den man unbedingt vermeiden sollte?
Die Flugreisen haben bei mir sehr viel ausgemacht. Mobilität allgemein macht viel aus. Aber auch Ernährung ist ein großes Thema. Dabei geht es nicht immer nur um Fleisch. Viele wissen nicht, dass Sahne, Käse und Butter eine ähnlich schlechte Klimabilanz haben wie Fleisch. Für die Produktion dieser fetthaltigen Lebensmittel wird sehr viel Milch benötigt. Und auch hier muss die Kuh auf der Weide stehen und Gras fressen. Sie pupst und stößt Methan aus, was das weitaus schädlichere Klimagas ist. Allerdings bin ich kein Freund von Dogmatismen. Ich selbst liebe Butter. Aber ich versuche mich so weit wie möglich pflanzenbasiert zu ernähren. Ich esse Butter, aber sehr bewusst.

Das kritische Hinterfragen von Produktionsabläufen ist bei einem nachhaltigen Lebensstil enorm wichtig. Was entgegnest Du Menschen, die sagen, sie hätten schlicht keine Zeit sich mit Nachhaltigkeit und den Hintergründen zu beschäftigen?
Ich kann das gut verstehen. Manchmal hilft es, einfach irgendwo anzufangen. Ich würde empfehlen, zunächst kleine Bereiche rauszupicken, bei denen es leicht fällt, etwas zu verändern. Viele Richtlinien lassen sich ganz einfach runterbrechen: Weniger aber besser kaufen, regional und saisonal, bio und fair. Und dann zählt jeder Schritt. Ich bin überzeugt davon, wenn man erst angefangen hat, gibt es kein zurück. Dann geht es Stück für Stück. Aber: Ganz so lax darf man es nicht nehmen, denn uns rennt klimatechnisch die Zeit davon.

Slow Fashion: Die fairen Accessoires wie Schmuck, Taschen oder Schals werden von unseren Handelspartnern in aller Welt in mühevoller Handarbeit gefertigt. Die modischen Begleiter vereinen traditionelle Muster sowie moderne Designs. Gefertigt aus hochwertigen Materialien sind sie die idealen Begleiter für eine lange Zeit.
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Umwelt- und klimabewusstes Leben macht den Anschein, sehr anstrengend und entbehrungsreich zu sein. Aber: Kann nachhaltiges Leben auch Spaß machen?
Inzwischen schon, im Bereich Mode gibt es tolle Alternativen. Auch der Bereich Wohnen macht mir Spaß. Ich kaufe zum Beispiel gern meine Möbel bei Ebay Kleinanzeigen. Durch die größere Verfügbarkeit an Bio-Lebensmitteln ist auch eine nachhaltige Ernährung einfacher geworden. Die Konsument*innen sollten aber nicht fragen, warum ist bio oder fair teuer. Wir sollten mehr hinterfragen, warum ist konventionell so günstig? Wo ist da der Haken? Wenn ich ein T-Shirt für drei Euro kaufe, muss ich doch feststellen, dass etwas daran nicht stimmen kann. Wir sind seit Jahrzehnten mit sehr günstigen Preisen verwöhnt. Dabei ist es wichtig den Produkten Wertschätzung gegenüber zu bringen und zu verstehen, wie die Produkte hergestellt werden. Dann zahlt man gerne mehr und aus dem teuren Preis wird ein fairer Preis.

Slow Fashion ist für Dich ein zentrales Thema. Welche Gründe sprechen aus Deiner Sicht für Slow Fashion?
Einer der wichtigsten Gründe ist die Qualität. Gute Bio-Baumwolle oder auch Materialien wie Hanf oder Leinen fühlen sich viel schöner auf der Haut an. Es gibt sie in vielen tollen Farben und modernen Schnitten. Natürlich ist es auch wichtig zu wissen, kein Kind musste dafür arbeiten und keine Näher*in wurde dafür ausgebeutet. Der dritte Punkt ist der Einsatz an großen Mengen schädlicher Chemie bei konventioneller Kleidung. In China gibt es dazu ein passendes Sprichwort: Man erkennt die Farben der Saison an der Farbe der Flüsse.

Worauf sollte ich beim Kauf von Textilien und Accessoires achten?
Nicht alles was fair ist, hat auch ein Zertifikat oder Siegel. Gerade im Fair Fashion Bereich gibt es viele junge Label, die erst einmal Zeit und Budget benötigen, um einen Zertifizierungsprozess durchlaufen zu können. Darum lohnt es sich, sich über die Marke zu informieren. Im Fair Fashion-Bereich gibt es zwei sehr bekannte Siegel: GOTS und IVN. Das sind momentan die einzigen Siegel, die sowohl auf die faire Herstellung eingehen als auch auf die Verwendung von Chemie. Die Fair Wear Foundation sagt etwas über die faire Produktion, aber nichts über den Einsatz von Chemie aus. Das Siegel für Bio-Baumwolle hingegen sagt nur etwas über den ökologischen Anbau der Baumwolle aus. Nichts aber darüber, ob vielleicht Chemie im weiteren Produktionsprozess eingesetzt wurde oder die Arbeitsbedingungen der Näher*innen.