Das weiße Blatt auf grünem Grund prankt auf immer mehr fairen Lebensmitteln. Es ist das Bio-Siegel der EU, das garantiert, dass Kaffee, Tee, Reis oder Quinoa nach ökologischen Kriterien kultiviert wurden. Bei El Puente sind es 80% der Lebensmittel, die das Bio-Siegel tragen. Was aber genau bedeutet Bio eigentlich für den/die Verbraucher*innen? Und für die Produzent*innen? Warum passen fair und bio eigentlich so gut zusammen? Und ist Bio wirklich immer besser?
Biologischer Anbau: Was steckt dahinter?
Als Bio- oder Ökoprodukt darf ein Lebensmittel bezeichnet werden, welches nachden gesetzlichen Regeln der sogenannten EU-Öko-Verordnung angebaut, weiterverarbeitet, gekennzeichnet, kontrolliert und zertifiziert wurde. Der Herstellungsprozess ist entscheidend für die Bio-Qualität. Der Einsatz chemisch-synthetischer Dünger und Pflanzenschutzmittel ist dabei selbstverständlich nicht erlaubt, ebenso wenig wie die Verwendung bestimmter Zusatz- und Verarbeitungshilfsstoffe oder der Einsatz gentechnisch veränderter Organismen. Trotzdem kann es vorkommen, dass sich Rückstände von Agrar- und Umweltgiften auch in Bio-Produkten nachweisen lassen, denn schließlich findet Bio-Anbau nicht im Paradies statt – sondern hier und überall auf der Erde.
Leckerer und gesünder?
Ob Bio-Produkte tatsächlich gesünder sind, wird immer wieder diskutiert. Eine breit angelegte Studie des Forschungsinstituts für Biologischen Landbau und der Universität Newcastle bestätigt allerdings, dass Bio-Produkte mehr gesundheitsfördernde Inhaltsstoffe und weniger schädliche Rückstände enthalten als konventionelle. Besonders bei wenig verarbeiteten Produkten wie Gemüse oder Kartoffeln fällt Verbraucher*innen nachweislich auch der intensivere Geschmack der Bio-Ware auf.
Ökolandbau auf dem Vormarsch
Die Gesamtzahl der ökologisch bewirtschafteten Äcker, Wiesen und Weiden hat in den vergangenen 30 Jahren stark zugenommen. Ihr Anteil liegt in Deutschland inzwischen immerhin bei 10% der landwirtschaftlichen Flächen. Weltweit sind es 70 Millionen Hektar. Die ökologische Landwirtschaft geht zurück auf mehrere Gründerbewegungen, die sich heute zum Teil noch in den verschiedenen Verbänden für biologische Landwirtschaft wiederfinden. Deren Richtlinien gehen ein Stück weit in entscheidenden Punkten über die Anforderungen der EU-Gesetzgebung hinaus. So dulden sie beispielsweise nicht, dass die Bio-Erzeugung auf einen Teilbereich des Hofes beschränkt ist, während in anderen Bereichen konventionell gearbeitet wird.
Kontrolle und Zertifizierung
Auf jedem Bio-Betrieb wird mindestens einmal jährlich eine Inspektion durchgeführt, um die Einhaltung der Anforderungen des Ökolandbaus zu überprüfen. Dabei werden alle Produktionsbereiche berücksichtigt, umfangreiche Dokumentationen geprüft und Plausibilitätsrechnungen durchgeführt und im Verdachtsfall auch mal Proben genommen und analysiert. Die Kontrolle wird von unabhängigen, staatlich zugelassenen Zertifizierungsstellen durchgeführt und die geprüften Betriebe erhalten dann ein Bio-Zertifikat, das in Deutschland auch über eine Datenbank aufruf bar ist. Sind die Produzent*innen – wie bei den meisten landwirtschaftlichen Handelspartnern im Fairen Handel – einer Kooperative angeschlossen, so werden sie über das System der Gruppenzertifizierung überprüft und anerkannt, das extra für die Bio-Kontrolle entwickelt wurde.
Im Zentrum: Kreislaufdenken
Grundlage egal welcher Ausrichtung des Ökolandbaus ist das Kreislaufdenken: Bodenfruchtbarkeit, Pflanzenbau und Tierhaltung stehen auf dem landwirtschaftlichen Betrieb miteinander im Zusammenhang: Fruchtbarer Boden lässt Pflanzen wachsen. Diese dienen unter anderem den Tieren als Futter. Der Dung der Tiere wird, zusammen mit den Pflanzenresten, wiederum auf den Feldern verteilt und fördert die Bodenfruchtbarkeit. Ziel des Ökolandbaus ist eine alternative Landwirtschafts- und auch Ernährungsweise, die pflegend mit der Erde umgeht, Gesundheit und Fruchtbarkeit stärkt und dabei gesunde Lebensmittel für die menschliche Ernährung erzeugt anstatt die Erde auszubeuten und die Umwelt zu verschmutzen. Laut dem Bundesverband der Ökologischen Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) werden dadurch in Deutschland 1,5 Mio. Tonnen CO₂ pro Jahr eingespart.
Eine Hand voll Leben
Das Bild vom Kreislauf stimmt allerdings nur bedingt, denn natürlich sind Bio-Bauernhöfe auch Wirtschaftsunternehmen, die Verkaufsprodukte produzieren. Ein Teil der dort gewachsenen „Biomasse“ verlässt also den Hof und wird auf dem Markt verkauft. Umso wichtiger ist es, mit Hilfe einerausgewogenen Kombination bestimmter Ackerfrüchte inklusive Gründüngung dafür zu sorgen, dass der Boden immer genügend organische Substanz bekommt und so die Humusbildung, die Fähigkeit Wasser aufzunehmen und Nährstoffe an die Pflanzen abzugeben, gefördert wird. „Boden“ ist eine einfache Bezeichnung für eine wundervolle Sache: Wer denkt schon daran, dass in nur einer Hand voll guten Bodens mehr Lebewesen enthalten sind, als es Menschen auf der Erde gibt?!
Gut Ding will Weile haben
Wenn eine Bäuerin oder ein Bauer also beginnt, auf ökologische Wirtschaftsweise umzustellen, muss er/sie weit mehr verändern, als nur die chemisch-synthetischen Pflanzenschutz- und Düngemittel wegzulassen. Vielmehr muss ein neues, vielfältiges und robustes Anbausystem etabliert werden. Damit können Nährstoffe möglichst gut genutzt und das problematische Auftreten einzelner Krankheitserreger oder Insektenarten verhindert werden. Das ist nicht einfach und erfordert viel Arbeit. Außerdem muss der/die Landwirt*in lernen, wie und mit welchen zugelassenen Techniken und Mitteln auftretende Probleme erfolgreich behandelt werden können. Unter anderem deshalb gibt es die sogenannte Umstellungszeit. Je nach System dürfen in den ersten 2-3 Jahren die Produkte noch nicht mit Bio-Siegel verkauft werden. Der Faire Handel hält für diese Zeit jedoch eine besondere Unterstützung bereit: Als Fairhändler zahlt El Puente schon während der Umstellungszeit die Bio-Aufschläge. Auf diese Weise können wir die Produzent*innen bei der Umstellung aktiv unterstützen. Denn Bio ist nicht nur besser für die Umwelt. Auch die Menschen profitieren davon, nicht im täglichen Kontakt mit giftigen Pestiziden zu sein.
Fair liebt Bio: Kaffee aus Ruanda
Gleich und gleich gesellt sich gern. Was eine amouröse Binsenweisheit ist, trifft auf die Bereiche fair und bio passend zu. Oft gibt es Irritationen, die beide Strömungen gleichsetzen. Fair ist jedoch nicht immer bio. Genauso wenig, wie bio nicht immer fair ist. Dennoch bedingen sich beide Systeme. So hat die WFTO, die World Fair Trade Organization, in ihren zehn Standards des Fairen Handels auch den Umweltschutz festgehalten. Und so unterstützen wir unsere Handelspartner aktiv bei der Umstellung auf Bio-Anbau. In Ruanda zum Beispiel tut sich eine Menge in Sachen Bio. Bei unserem Besuch der ruandischen Kaffeekooperative Kopakama im Jahr 2016 haben wir die Umstellung auf Bio-Anbau mit angestoßen. Nun erhalten wir von dort bereits seit fast zwei Jahren besten Bio-Kaffee. Der El Puente Entwicklungsfonds hat die Umstellung auf Bio-Anbau durch Zuschüsse gefördert und der Kooperative für die anfallenden Kosten einen zinsfreien Kredit zur Verfügung gestellt.
My Cup of Tea
Ganz neu noch ist die Bio-Umstellung des Tees aus Ruanda. Unser Handelspartner Sorwathe hat den Tee-Anbau auf Bio umgestellt. Schwarz- und Grüntee haben wir ab März im Verkauf. Dass so eine Umstellung viel Arbeit bedeutet, zeigen die vielfältigen Maßnahmen, die Sorwathe getroffen hat. Um die Teepflanzung herum und entlang der Wege wurden Hecken aus Leguminosensträuchern gepflanzt. Sie tragen zu einem besseren Mikroklima auf der Plantage bei, verhindern Bodenerosion und sind auch noch in der Lage, Stickstoff aus der Luft zu binden und für das Pflanzenwachstum verfügbar zu machen. Die Sträucher werden nun regelmäßig geschnitten und als Pflanzenmulch verwendet, sodass der Boden immer bedeckt ist. Aus Rindermist und pflanzlichen Abfällen wurde Kompost als Dünger für die Teepflanzen hergestellt und zusätzlich Wurmkompost eingesetzt. Das ist viel Arbeit, denn während der 3-4 monatigen Kompostreife muss der Kompost mehrmals umgesetzt und gewässert werden, bis er als Dünger mit einem Gehalt von 1,5 bis 2 % Stickstoff eingesetzt werden kann. 20 Tonnen Kompost pro Hektar werden nun jährlich von Hand ausgebracht. Zur Stärkung der Pflanzengesundheit und als natürliches Pflanzenschutzmittel wird eine Zubereitung aus fermentierten Tithoniablättern hergestellt, mit der die Teesträucher besprüht werden, allerdings nur bis zu 14 Tagen vor dem Pflücken. Treten Schadinsekten auf, so wird der Pflanzenbrühe zusätzlich Chili zugesetzt.