Kraftstoff, Medikamente und Lebensmittel – alles fehlt derzeit im Inselstaat Sri Lanka. Das Land befindet sich in einer noch nie dagewesenen Finanzkrise. Unsere Handelspartner berichten seit Wochen von zunehmender Knappheit bei Alltagsgütern. Was bedeutet die Finanzkrise für unsere Fair Trade Partner und ihre Arbeit?
Was ist der Hintergrund der Finanzkrise?
Das Land hat hohe Schulden und zuletzt getroffene politische Entscheidungen, wie ein Importverbot von Düngemitteln, führte laut Vertreter*innen unserer Handelspartner in diese Situation. Die Bevölkerung wirft der stark von der Familie Rajapaksa geprägten Regierung Missmanagement vor. Präsident Gotabaya Rajapaksa wird in zahlreichen Demonstrationen zum Rücktritt aufgefordert.
Was bedeutet die Finanzkrise für die Menschen vor Ort?
Die Lebensmittelpreise sind stark gestiegen. Es gibt begrenzte Vorräte an Treibstoff, Gas zum Kochen und es herrscht ein Mangel an Reis und Brot. Auch Dünger für die Landwirtschaft ist nicht ausreichend verfügbar.
„Die Menschen müssen stunden- oder tagelang Schlange stehen, um Benzin für ihre Fahrzeuge zu bekommen. Als ich das letzte Mal Treibstoff für mein Auto brauchte, musste ich 15 Stunden lang in einer Schlange warten. Ich stand am Samstag um 18.00 Uhr in der Warteschlange und erhielt den Treibstoff am Sonntag um 10.00 Uhr. Es war eine Nacht, die ich auf der Straße verbracht habe.“ (Shiran Karunaratne, Geschäftsführer, Gospel House Handicrafts)
Hinzu kommen Stromausfälle, die laut unserer Partner 4-15 Stunden andauern. Diese wirken sich auf alle Bereiche des täglichen Lebens aus. Viele Menschen haben ihren Job verloren oder kommen nicht zur Arbeit, weil es keinen Transport gibt. Ein Teil der Bevölkerung ist deshalb bereits als Arbeitsmigrant*innen ins Ausland gegangen. Die sri-lankische Währung verliert täglich an Wert, was die Inflation im Juni 2022 auf 54,6 % ansteigen ließ. Den Krankenhäusern fehlen Medikamente und es werden nur noch wenige Operationen durchgeführt.
Wie beeinflusst die Krise die Arbeit bei unseren Handelspartnern?
Die Abläufe bei den Handelspartnern leiden unter Verzögerungen. Aufgrund der Treibstoffknappheit haben Fair Trade-Unternehmen Schwierigkeiten ihre Maschinen zu betreiben und mit der Produktion fortzufahren. Rohstoffe wie Holz oder importierte Materialien sind schwer verfügbar. Die Materialkosten sind gestiegen. Zudem führt die fehlende politische Stabilität zu einem erhöhten bürokratischen Aufwand und erschwert die Einholung von Genehmigungen und anderen notwendigen Informationen.

Bericht von Holzspielzeughersteller Gospel House Handicrafts
Das Unternehmen Gospel House Handicrafts berichtet wie andere Partner von Verzögerungen bei den Lieferungen ihrer Produkte. Die größten Schwierigkeiten haben sie durch die unsichere Beschaffung von Rohstoffen und Materialien wie Holz oder Farben. Hinzu kommen die Transportprobleme und die Treibstofffrage. Die Holzlieferungen verzögern sich mitunter um mehrere Wochen. Deshalb lagert Gospel House nun möglichst viel Holz ein, hat dafür aber nur eine begrenzte Fläche zur Verfügung. Für den Bau eines extra Holzlagers fehlt es an finanziellen Ressourcen.
Trotz der schwierigen Situation haben sie bislang keine Produzent*innen entlassen und bieten weiterhin auf jede erdenkliche Weise Arbeit an. Gasknappheit zum Kochen ist in den Häusern der Produzent*innen im Dorf kein großes Thema, da die meisten Brennholz verwenden. Einige Produzent*innen nehmen die Holzabfälle aus der Produktion mit nach Hause. Um den Produzent*innen im Umgang mit den steigenden Lebensmittelpreisen zu unterstützen, hat Gospel House sie mit einem Treibstoffzuschuss und mit Reis unterstützt.
Shiran ist immer wieder erneut beeindruckt, wenn die Produzent*innen es geschafft haben am Wochenende in langen Schlangen zu stehen, um Treibstoff zu besorgen und zur Arbeit zu kommen. Er gibt sein Bestes, mit den Behörden zu sprechen, um ein Kontingent an Treibstoff für Gospel House zu erhalten.
Bericht aus der Stoffweberei und Näherei von Selyn
Selyn beschäftigt hauptsächlich Frauen, die durch Heimarbeit und flexible Arbeitssituationen weiterhin als Kunsthandwerker*innen tätig sein können. Die Organisation setzt sich dafür ein, auch die festen Jobs bei Selyn zu erhalten. Doch leicht ist das nicht. Gerade im lokalen Verkauf brechen Aufträge weg. Damit setzt sich der Rückgang der Verkäufe von Kleidung für den lokalen Markt seit Beginn der Corona-Pandemie fort. Selyn versucht deshalb, den Export anderer Produkte, wie Kinderspielzeug und Heimtextilien, auszubauen. Gleichzeitig verlassen viele Menschen Sri Lanka als Arbeitsmigrant*innen. So auch Kunsthandwerker*innen von Selyn.
Die gestiegenen Kosten für Rohstoffe und die Produktion spiegeln sich in den Verkaufspreisen wieder. Die erhöhten Preise seien bereits jetzt nicht mehr überall marktfähig. Selyn setzt auf mehr Trainings und Weiterbildungen für die Kunsthandwerker*innen, um eine größere Produktvielfalt anzubieten. Neuerdings kommen auch andere Materialien zum Einsatz, wie recycelte Kunststoffe und Saris. Außerdem möchte Selyn die eigene Arbeit sichtbarer machen und plant den Einsatz von neuen Technologien für mehr Transparenz. Selyna Peiris erzählt: „Es gibt in großen Unternehmen zu viel Greenwashing. Dem müssen wir etwas entgegensetzen und zeigen, wie der Faire Handel funktioniert. Denn im Fairen Handel stehen die Menschen an erster Stelle.“

Bericht von Gewürzhersteller PODIE
Tyrell Fernando, Geschäftsführer von PODIE, berichtet, dass sie vermutlich die Preise erhöhen müssen. Denn ihre regulären Kosten und die Gehälter der Angestellten, die bei PODIE für die Verarbeitung der Gewürze zuständig sind, müssen sie weiterhin zahlen, ungeachtet, ob gearbeitet werden kann oder nicht. Mehr Eindrücke zur Arbeit von PODIE zeigt dieses Video.

Bericht der Kokos- und Teeverarbeiter Bio Foods
Anil Yapa Bandara, Geschäftsführer und zuständig für Export bei Bio Foods, berichtet, dass sie nach wie vor regelmäßige Aufträge erhalten. Sie können diese jedoch aufgrund der Preiserhöhungen bei Treibstoffen und der Stromausfälle nicht immer erfüllen. Da sie viele Kessel und Maschinen in drei Teefabriken, zwei Gewürzfabriken und einer Kokosnussmilchfabrik betreiben, benötigen sie für die Produktion eine zuverlässige Energiequelle. Wenn die Situation anhält, befürchten sie Kund*innen zu verlieren. Bio Foods plant in Reaktion auf die Treibstoff-Knappheit und die Stromausfälle auf Solarenergie umzustellen. Dafür suchen sie nun Unterstützung.
Was kann El Puente tun?
El Puente steht den Handelspartnern auch in diesen Zeiten mit Aufträgen zur Seite. Darüber hinaus können Anträge an den El Puente Entwicklungsfonds gestellt werden. Wir sind mit unseren Partnern im Kontakt und schauen gemeinsam welche Unterstützung sie stärken kann.