Frachtraummangel, verzögerte Schiffsankünfte, Sendungsüberhang… beim Lesen der Newsletter großer Reedereien dominieren diese Schlagworte. Doch was genau ist es eigentlich, das die Situation auf den Weltmeeren gerade so besonders macht? Und was bedeutet das für El Puente und unsere Handelspartner? In all diese Fragen gibt und Gesa Petersen, Leitung des Einkaufsteams bei El Puente, einen Einblick!
Gesa, was ist gerade los auf den Weltmeeren?
Laut Umweltbundesamt sind über 90.000 Schiffe unterschiedlicher Größe auf den Weltmeeren unterwegs. Neben Passagier- und sogenannten Serviceschiffen, sind es vor allem die Containerschiffe, die die Ozeane überqueren. Denn weit über 90 % des weltweiten Warenverkehrs wird mit Containerschiffen bewältigt. Besonders die letzten Monate haben gezeigt, was passiert, wenn dieses engmaschige System des Schiffsverkehrs gestört wird. Unterschiedliche Ereignisse haben dazu geführt, dass die Seeriesen nicht so fahren können, wie normalerweise geplant.
Was hat das System zum Wanken gebracht?
Dies lag vor allem an Corona. Durch die weltweite Pandemie haben sich Angebot und Nachfrage verschoben. Container sind in diesem System auch Waren, die oft nicht zur richtigen Zeit am gewünschten Ort waren. Immer wieder kam es zu Rückstaus, weil Häfen auf Grund von Corona-Fällen geschlossen waren oder nur eingeschränkt arbeiten konnten und können. Doch nicht nur die Schieflage durch Corona hat den Seehandel beeinflusst. Auch Ereignisse, wie der blockierte Suezkanal durch das in der Kanalwand verkeilte Schiff „Ever Given“ hatten einen enormen Einfluss auf den Seehandel. Auch neue Anforderungen für den Import in die USA, das bevorstehende Weihnachtsgeschäft und das chinesische Neujahrsfest dezimieren Verladekapazitäten. Die wenigen Container und seltenere Flüge führen zu extrem höheren Frachtraten und längeren Wartezeiten. Auch im Transport über Land ist die angespannte Marktlage spürbar. Aufgrund des Rückstaus der Containersendungen gibt zu viel Ware für zu wenig Frachtraum.
Was bedeutet das für El Puente?
Für uns bedeutet das Verzögerungen bei den Verschiffungen, beziehungsweise eine extrem aufwendige Vorbereitung bei den Bestellungen und Importvorgängen. Wir müssen deutlich frühzeitiger als sonst antizipieren, welche Waren wann vor Ort sein müssen. Kurzfristige Nachbestellungen sind fast unmöglich zu realisieren. Unsere Zeitrhythmen geraten durcheinander, normalerweise ist das ganze Jahr gut aufeinander abgestimmt, wenn wir aber mit so viel Vorlauf planen müssen, wird es kompliziert.
Welche Probleme gehen mit diesen Verspätungen einher?
Verspätungen sind ungünstig für das Geschäft. Wenn die Ware nicht rechtzeitig zur Katalogveröffentlichung oder den saisonalen Feiertagen wie Ostern und Weihnachten zur Verfügung steht, verkaufen wir weniger Produkte. Das führt dann wiederum zu weniger Nachbestellungen für die kommende Saison. Durch die Verzögerungen müssen Produkte zudem länger zwischengelagert werden. So gab es bei einem Handelspartner in Kamerun das Problem, dass alle Lager voll waren und darum auf weniger optimale Lagerstätten ausgewichen werden musste. Bei den Lebensmitteln ist zudem problematisch, dass bei längeren Verzögerungen das Mindesthaltbarkeitsdatum nicht mehr ausreicht, um es hier in den Großhandel zu geben.
Wie ist es mit den Preisen für die Frachten?
Die Frachtpreise sind enorm gestiegen. Teilweise lohnt es fast nicht mehr die Ware zu importieren, da das Verhältnis Fracht/Warenwert aus dem Ruder geraten ist. Wegen steigender Dieselkosten und Knappheit erhöht sich automatisch der Preis, die Frachtraten explodieren und das müssen wir auch weitergeben. Früher oder später werden sich diese Mehrkosten auch bei den Produktpreisen niederschlagen. Im schlimmsten Fall verringern sich unsere Verkaufsmengen. Das wäre besonders für unsere Lieferanten fatal.
Wie versucht Ihr als Einkäufer*innen mit der Situation umzugehen?
Nicht in Panik geraten (lacht). Wir bemühen uns, langfristig zu planen und mit den Lieferanten frühzeitig die Container oder im Notfall auch Flüge zu buchen. Die Sendungen werden so voll wie möglich geladen, damit das Verhältnis Fracht/Warenwert stimmt. Wir überlegen sehr gut, wie viel wir brauchen, wir kalkulieren die Preise sehr genau um keinen Verlust zu machen und dennoch Kaufanreize zu geben. Jede Fracht wird besprochen, Alternativen und Zuladungen gesucht, abgewogen auch im Sinne unserer Partner. Das ist schwer für uns, weil wir wissen, was es vor Ort bedeutet.
Was bedeutet diese schwierige logistische Situation für unsere Handelspartner?
Unsere Lieferanten müssen länger auf freie Container warten, das erhöht vor Ort die Lagerkosten und verzögert auch die Abschlusszahlungen für die Waren, was wiederum zu Liquiditätsproblemen führt. Das kann langfristig harte Konsequenzen haben. So leidet unter anderem unser Handelspartner Mitra Bali aus Indonesien gerade sehr. In Indonesien war lange Lockdown. Nachdem nun die Bestimmungen gelockert wurden, haben die Produzent*innen in Windeseile die Ware fertig gestellt. Daraufhin folgte aber die Absage der Reederei, die bis auf unbestimmte Zeit leider keine Buchung bestätigen kann. Das ist sehr bitter für den Handelspartner. Das bedeutet für uns von der Seefracht auf Luftfracht umzuschwenken, was umwelttechnisch schlecht und auch teurer ist. Nur so ist es uns möglich, die Produkte von Mitra Bali in Europa in den Verkauf zu bringen.